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Dienstag

Die komplizierte Kombination von Feminismus und Sex

Seit ich die Diskussion um Feminismus verfolge, ist mir ein spezifisches Thema immer wieder über den Weg gelaufen. Der Text 'Feminismus, Sex und Pornographie' von Philippe Wampfler hat mich nun dazu gebracht, die Gedanken, die mir zum Thema Feminismus und Sex im Kopf herum schwirren, niederzuschreiben.

Wenn es um Feminismus und Sex geht, lauten die zentralen Fragen, ob Feministinnen (und Feministen, im folgenden Text stets mitgemeint) überhaupt Sex haben, ob die Angelegenheiten im Bett Bestandteil der Diskussion sind und ob es möglich ist, Sex mit den Forderungen des Feminismus zu vereinbaren. Es gäbe bestimmt viel Literatur dazu - sowohl feministische, wie auch kritische. Meine Meinung dazu hat sich jedoch schon längst gebildet und ich schreibe diese nun frisch von der Seele.

Das Thema Feminismus im Bett hat für mich zwei Ebenen: die Frage des feministischen Sex und die damit einhergehende Verweiblichung der Sexualität. Meine Gedanken dazu werde ich im folgenden ausformulieren. Kleine Notiz am Rande, um euren Horizont zu erweitern: Denkt beim Lesen nicht nur an heterosexuellen Sex, sondern auch an homosexuellen. Er gehört genauso dazu.

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Ob Feminismus und Sex kombinierbar sind, ist für mich gar keine Frage. Wie Philippe Wampfler in seinem Text so schön zusammenfasst, will der Feminismus, dass Menschen tun und wollen können, was sie eigentlich wollen, ohne dass ihre Zugehörigkeit zu einem Geschlecht dieses Tun oder Wollen beeinflusst. Ich werde keine Feministin mehr sein müssen, wenn Männern sowie Frauen zugehört wird, wenn alle dieselben Chancen haben und die Gesellschaft diese auch akzeptiert. Der Feminismus will die (absolute, gesellschaftliche) Gleichstellung von Mann und Frau. Wie das im Bett aussehen soll? Ganz einfach: Solange es beide/alle wollen und geniessen, ist's okay. Wenn es eine Frau geniesst, sich zu unterwerfen, was soll der Feminismus daran kritisieren? Wenn Frauen ihre Sexualität genau so leben können, wann sie es wollen, wie sie es wollen und wie sie es geniessen können, ist ein Ziel des Feminismus erreicht.

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Meine Idee der Verweiblichung der Sexualität ist etwas komplexer, wenn auch nicht wirklich schwierig. Mein Alter, die Zeit, in der ich aufgewachsen bin, hat diese Idee sicherlich massgebend beeinflusst.
Überall, seit ich mich erinnern kann, wird Sexualität als etwas männliches dargestellt. Mal ganz abgesehen von sexistischer Werbung, Pornos & Co haben wir schon im Aufklärungsunterricht gehört, dass Jungs in der Pubertät einfach so einen steifen Penis bekommen können. Das weibliche Pendant dazu? Gibt es nicht. Weiter gehts: Es gäbe feuchte Träume und die Jungs würde danach mit Sperma in der Pyjamahose aufwachen. Das weibliche Pendant? Wurde nicht angesprochen. Oder kennt ihr den Spruch, dass Männer alle sieben Sekunden an Sex denken? Die männliche Sexualität wird als ein starkes Verlangen, mehr oder weniger omnipräsent dargestellt. Die weibliche Sexualität ist jedoch nie ein Thema.
Ich folge daraus, dass Mädchen nicht oder nur bedingt lernen, ihre eigene Sexualität zu erkunden, zu erleben, zu fordern und zu geniessen. Wir Frauen müssen lernen und begreifen, dass unsere Sexualität genauso ein wunderschönes Verlangen ist. Wir müssen unsere Bedürfnisse kennen lernen und uns holen, was wir brauchen und wollen. Das will ich nicht als Aufforderung zu Vergewaltigung verstanden haben, sondern als Motivation, dass Sex den Wünschen von Frauen entsprechen muss, wie er heute den Wünschen von Männern zu entsprechen scheint. Sex ist nicht (nur) dazu da, die Wünsche des oder der anderen zu erfüllen.

Mein Idol einer sexuell emanzipierten Frau? Die junge Frau hinter dem Pseudonym @swissbitch666. Sie lebt ihre Sexualität, holt sich, was sie braucht und geniesst es in vollen Zügen. Wir sehen, was einer solchen Frau droht: Die Beleidigung als Bitch, Hure, Prostituierte. Das muss sich ändern.

1 Kommentar:

  1. - Braucht es für Gleichstellung vorübergehende Knechtung der Privilegierten? Thema Frauenquote?

    - Verweiblichte Sexualität gibt es in den Medien auch. Die Zac Effrons und Abercrombie-Models dieser Welt kamen nicht von ungefähr. Witzigerweise sind die Reaktionen von Jungs dieser bezüglich weit negativer als von Mädels, die Beyoncé for H&M für ihre Figur bewundern.

    - Ich sehe die Anwendung auf homosexuellen Sex nicht, weil da die Rollen der Partner nicht unbedingt so gesellschaftlich vorbelastet sind. Wenn auch existent.

    Erstmal Danke für deine Gedanken.

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