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Dienstag

Was Menschen auf sich nehmen

In meinem Freiwilligeneinsatz in Schweden habe ich viele Menschen von vielen Flecken überall auf der Erde kennengelernt. Zwei kleine Geschichten von zwei solchen Menschen möchte ich hier erzählen. Wir können uns nämlich schwer vorstellen, was Menschen auf sich nehmen.


Maria Fernanda ist aus Kolumbien, 21 Jahre alt, sie nennt sich Mafe. Ihre Heimat ist die grosse Stadt Bogota in den Bergen von Lateinamerika. Sie wird Kindergärtnerin. Jetzt ist sie in Schweden, um Englisch zu lernen. Englisch ist sehr wichtig für ihre Ausbildung, denn ohne Englisch bekommt man keinen Job bei einer Privatschule. Staatliche Schulen sind keine Option, zu schlecht.
Mafe hat zu Hause in Kolumbien einen zweijährigen Sohn. Ihre Mutter schaut zum kleinen Jeronimo, während Mafe ein Jahr weg ist. Beim Skypen schaut er etwas verwirrt in die Kamera, später hebt er sein Bein, zeigt auf die Füsse und sagt "zapatos, zapatos". Er hat neue Schuhe.

Mafe ist ein Jahr nach Europa gegangen und hat ihren Sohn zu Hause gelassen. Sie muss ihr Englisch verbessern, damit sie gute Jobaussichten hat. Nur mit einer guten Anstellung kann sie die Privatschule für Jeronimo bezahlen. Wenn der Junge in eine staatliche Schule gehen müsste, wäre sein Schicksal besiegelt. Mafe überlegt sich auszuwandern, für immer in Schweden zu bleiben. So kann ihr Sohn hier zur Schule gehen. Sie kann zwar kein Schwedisch, die Kälte verschafft ihr Kopfschmerzen und ihre Perspektiven sind auch hier nicht grossartig.

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Biniam ist aus Eritrea, 27 Jahre alt. Seine Familie ist in Eritrea, in der Hauptstadt Asmara. Er selbst ist geflüchtet. Er erzählt mir von seinem Land und seiner Heimat. Wir filmen es für ein kleines Projekt über verschiedene Länder. Er sagt, dass Eritrea keine Demokratie sei. Sein Vater ist getötet worden, mehr will er nicht verraten. Er erzählt nicht viel über die Umstände in Eritrea, obwohl er sonst immer aufgestellt und der kommunikativste von allen in unserer Gruppe ist.
Zehn Minuten nach der Aufnahme kommt er zu mir zurück und sagt, wir müssen das Video von ihm löschen. Nein, sage ich, das ist wichtig für unser Film. Sie dürfen das nicht sehen, sagt Biniam. Meine Familie bekommt Probleme, wenn sie das sehen. Macht mein Gesicht unkenntlich, löscht den Namen meines Vater und verändert meine Stimme. Das ist viel zu gefährlich.

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